Kohlenhydratarme Ernährung

Eva Marbach
Projekt
  

Mit Low Carb bequem zum Traumgewicht?

War bis vor kurzem noch das Fett der Bösewicht Nummer 1 unter den Dickmachern ist inzwischen die Low Carb Welle über den grossen Teich geschwappt.

Seitdem sind die bösen Kohlenhydrate noch gefürchteter als das Fett.

Mit dem modernen Namen "Low Carb" sind "niedrige Kohlenhydrate" gemeint, es handelt sich also um eine kohlenhydratarme Ernährungsweise.

Damit das alles nicht so einfach und übersichtlich ist, gibt es verschiedene Varianten von kohlenhydratarmen Ernährungsformen.

  • Low Carb vermeidet alle Arten von Kohlenhydraten
  • Glyx-Diäten vermeiden Kohlenhydrate mit hohem Glykämischen Index
  • Andere Diäten vermeiden Nahrungsmittel mit einer hohen Glykämischen Last
Bei jeder dieser Diätformen werden einige oder alle Arten von kohlenhydrathaltigen Nahrungsmitteln weitgehend oder ganz gemieden.

Aber was soll so schlimm sein an Kohlenhydraten?

Kohlenhydrate und der Blutzucker

Natürlich enthalten Kohlenhydrate Kalorien und zwar genauso viel wie Proteine, nämlich 4 Kilokalorien pro Gramm Kohlenhydrat.

Da Proteine genauso viel Kalorien enthalten, kann die Verteufelung der Kohlenhydrate daran nicht liegen. Allerdings sollte man im Hinterkopf behalten, dass Kohlenhydrate ganz objektiv betrachtet Nahrungsenergie enthalten und daher zu dick machen, wenn man zuviel davon isst.

Das "Schlimme" an Kohlenhydraten hängt aber mit dem Blutzucker zusammen.

Denn wenn man Kohlenhydrate isst, werden diese bei der Verdauung in kleine Zuckermoleküle zerlegt und durch die Darmwände ins Blut übernommen. Dadurch haben wir dann Zucker im Blut, also "Blutzucker".

Dieser Zucker im Blut dient dazu, dass das Blut ihn als Nährstoff zu den Zellen des Körpers transportiert.

Das Hormon Insulin hilft dem Körper dabei, den Zucker von den Körperzellen aufnehmen zu lassen. Wie das funktioniert, wird auf der Insulin-Seite genau erklärt.

So weit, so gut. Doch wo ist das Problem?

Schneller Blutzuckeranstieg ist problematisch

Manche Kohlenhydrate, vor allem die süssen mit kleinen Molekülen, werden besonders schnell vom Körper aufgenommen.

Dadurch steigt der Blutzuckerspiegel besonders schnell an und das Insulin wird auch besonders schnell und reichlich ausgeschüttet, um den Zucker im Körper zu verteilen.

Schon nach kurzer Zeit ist der Spuk wieder vorbei und der Blutzuckerspiegel sinkt wieder, dank Insulin.

Blutzucker sinkt angeblich unter Normalwert

Manche Ernährungsberater und Buchautoren behaupten, dass der Blutzuckerspiegel unter den Wert bei Nüchternheit absinkt.

Dadurch soll Heisshunger entstehen.

Diabetes-Situation auf Gesunde übertragen

Dieses Absinken des Blutzuckerspiegel unter den Nüchternwert tritt aber nur bei schlecht eingestellten insulinpflichtigen Diabetespatienten auf und bei Menschen, die kurz vor einer Diabeteserkrankung stehen und unter der sogenannten Hypoglykämie leiden.

Beim Gesunden wird der Blutzuckerspiegel nicht so extrem abgesenkt.

Dadurch ist das Hauptargument der Verfechter von kohlenhydratarmen Diäten wissenschaftlich nicht haltbar.

Die Situation bei Diabetikern wird einfach auf Gesunde übertragen.

Blutzucker-Situation beim Gesunden

Beim gesunden Menschen sinkt der Blutzuckerspiegel nicht unter den Normalwert ab, sondern er nähert sich allmählich wieder dem Normalwert.

Auch beim Gesunden sinkt der Blutzuckerspiegel umso schneller je schneller er zuvor angestiegen ist.

Das Auf und Ab des Blutzuckerspiegels ist wie eine Art Achterbahnfahrt.

Das ist nicht gerade gesundheitsfördernd.

Schnellverdauliche Kohlenhydrate schaden der Gesundheit

Insofern haben die Kohlenhydrat-Verteufeler zumindest teilweise recht, denn wenn man in grossen Mengen schnell verdauliche Kohlenhydrate isst, wird der Körper durch das ständige Auf und Ab des Blutzuckerspiegels stark belastet.

Auf ausgeprägte Sättigungsgefühle durch hohen Blutzuckerspiegel und hohen Insulinspiegel folgen neue Hungergefühle.

Langfristig kann sich daraus bei genetisch vorbelasteten Menschen eine Insulinresistenz und später sogar ein Altersdiabetes entwickeln.

Langsame Kohlenhydrate sind verträglicher

In Hinblick auf ein Auf und Ab des Blutzuckerspiegels ist es günstiger, wenn man Kohlenhydrate zu sich nimmt, deren Verdauung länger braucht.

Wenn der Abbau der gegessenen Kohlenhydrate länger braucht, steigt der Blutzuckerspiegel allmählich an und er steigt auch insgesamt nicht so hoch.

Die Sättigung hält länger vor.

Bei gleicher Kalorienmenge hat man mehr positiven Effekt von langsamen Kohlenhydraten als von schnellen Kohlenhydraten.

Bei der Einschränkung von gesundheitsschädlichen Kohlenhydraten sollte man also vor allem die schnellen Kohlenhydrate einschränken.

Die langsamen Kohlenhydrate sind hingegen unproblematisch.

Die pauschale Verurteilung aller Kohlenhydrate, wie sie von vielen Low Carb Diäten (z.B. Atkins) praktiziert wird, ist also unsinnig.

Unterscheidung von schnellen und langsamen Kohlenhydraten

Doch wie unterscheidet man schnelle von langsamen Kohlenhydraten?

Grobe Faustregel: Süsse Kohlenhydrate sind schneller als nicht-süsse Kohlenhydrate.

Kleine Kohlenhydrate schmecken häufig süss, weil sie schon im Mund zur süssen Glukose und anderen Einfachzuckern aufgespalten werden. Reiner Traubenzucker liegt sogar als reine Glukose vor.

Dadurch gelangen sie im Darm sehr schnell ins Blut.

Grosse Kohlenhydratmoleküle wie die Stärke in Mehl und Kartoffeln schmecken nicht süss.

Sie werden erst im Darm nach und nach zu Glukose abgebaut und gelangen daher langsamer ins Blut.

Siehe dazu auch: Kohlenhydrate

Doch wie es einfache Faustregeln so an sich haben, stimmen sie nicht in jedem Einzelfall.

So ist es auch mit den Kohlenhydraten.

Als Diabetesforscher in den 1980er Jahren beobachteten, dass nach Weissbrotgenuss der Blutzucker schneller anstieg als nach dem Genuss von Haushaltszucker, entwickelten die den glykämischen Index.

Der glykämische Index berücksichtigt, wie schnell ein Kohlenhydrat den Blutzuckerspiegel ansteigen lässt.

Siehe dazu auch: Glykämischer Index / Glyx-Faktor

Der Glykämische Index berücksichtigt jedoch nicht, wieviel Kohlenhydrate in einem Nahrungsmittel enthalten sind. Daher gelten manche Nahrungsmittel mit wenig Kohlenhydraten als "schlimmer" als andere Nahrungsmittel, die jede Menge Kohlenhydrate enthalten.

Das ist natürlich unsinnig.

Daher wurde die Glykämische Last entwickelt, die ausser dem Glykämischen Index auch den Kohlenhydrat-Anteil von Nahrungsmitteln berücksichtigt.

Siehe dazu auch: Glykämische Last

Die Orientierung an der Glykämischen Last von Nahrungsmitteln ist also die vernünftigste Betrachtungsweise, wenn man den Kohlenhydrat-Verzehr einschränken will.

Kohlenhydratarme Ernährung hat deutliche Nachteile

Der Verzicht auf Kohlenhydrate hat jedoch auch Nachteile, die man kennen sollte, bevor man schweren Herzens auf Kohlenhydrate verzichtet, selbst wenn es nur die süssen, bösen Kohlenhydrate sind.

Folgende Aspekte sind beim Thema Verzicht auf Kohlenhydrate wichtig:

  • Kohlenhydrate machen zufrieden
  • Zuviel Proteine fördern Gicht
  • Zuviel Fett fördert erhöhte Blutfettwerte
  • Zu strenge Diäten fördern Jojo-Effekt

Kohlenhydrate fördern die Zufriedenheit

Durch den Genuss von Kohlenhydraten werden im Gehirn Endorphine ausgeschüttet, die die Zufriedenheit fördern.

Eine ausgeprägt kohlenhydratarme Ernährung macht viele Menschen schnell missmutig und frustriert.

Das hat dann oft einen baldigen Abbruch der Ernährungsumstellung zur Folge.

Hemmungslos Kohlenhydrate schlemmen ist natürlich auch nicht gesund, vor allem verhindert es das Abnehmen.

Wie bei so vielem im Leben, ist hier das Mittelmass genau das Richtige.

Eine gewisse Menge langsamer Kohlenhydrate, wie in Gemüse, Kartoffeln oder Vollkorngetreide enthalten, und ausserdem regelmässig frisches Obst, um den Süsshunger zu stillen, sind genau das Richtige, um die Zufriedenheit und die Gesundheit zu fördern.

Ab und zu dürfen auch kleine Mengen "sündhafter" Süssigkeiten hinzukommen, damit man nicht das Gefühl hat, immer verzichten zu müssen.

Solch eine Ernährung kann man auf Dauer durchhalten, weil sie nicht mit zuviel Kasteiung einhergeht.

Zuviel Proteine fördern Gicht

Eine häufige Folge kohlenhydratarmer Ernährung ist ein erhöhter Proteinkonsum.

Proteine haben aus Sicht vieler Diät-Prediger nämlich den besten Ruf und werden daher gerne empfohlen, um sich mit irgend etwas satt zu essen. Manche Diät-Erfinder predigen Fleisch und Fisch bis zum Abwinken.

Zuviel Proteine schaden jedoch dem Stoffwechsel.

Unter anderem steigt dadurch der Harnsäurewert im Blut, was Gicht zur Folge haben kann. Verstärkt wird dieser Effekt noch durch das Abnehmen, denn auch die abgenommenen Körperzellen haben Harnsäure als Abfallprodukt. So kann es passieren, dass man mitten in einer erfolgreichen Diät plötzlich einen schmerzhaften Gichtanfall erleidet.

Auch Rheumatismus kann durch zuviel Proteine in der Ernährung begünstigt werden.

Zuviel Fett fördert erhöhte Blutfettwerte

Fett ist den meisten von uns schon lange als ganz schlimmer Dickmacher bekannt.

Daher sind viele kohlenhydratreduzierte Diäten hierzulande auch noch fettreduziert. Andere Low Carb Diäten, vor allem solche aus Amerika, erlauben unbegrenzt viel Fett. Abgesehen davon, dass viel Fett ordentlich fett macht, steigert es auch die Blutfettwerte, wodurch das Herzinfarkt-Risiko ansteigt.

Für Fett gilt also im Prinzip das Gleiche wie für Kohlenhydrate:

Am besten mittlere Mengen davon essen.

Nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig.

Zu strenge Diäten fördern Jojo-Effekt

Wenn man sowohl Kohlenhydrate als auch Fett und Proteine meiden will, kommt dabei eine extrem kalorienreduzierte Diät heraus.

Dann gibt es nur noch das sprichwörtliche Salatblatt ohne Dressing.

Mit so einer Diät nimmt man zwar meistens recht schnell ab, aber anschliessend auch umso schneller wieder zu, weil sich der Körper auf die "Hungerzeit" einstellt und mit deutlich weniger Nahrung auskommt.

Der berühmte Jojo-Effekt schlägt zu.

Siehe dazu auch:

Was tun?

Wenn man sich die ganzen Informationen über kohlenhydratarme Diäten und ihre Vor- und Nachteile gründlich betrachtet, kann man zu dem Schluss kommen, dass man es kaum richtig machen kann.

Doch das scheint nur so.

Es gibt zwar keinen guten Weg, um schnell sehr stark abzunehmen, das ist leider richtig.

Aber wenn man dem Abnehmen Zeit lässt, gibt es durchaus einen Weg und zwar einen, der auch die persönlichen Vorlieben berücksichtigt.

Die Ernährung sollte nur etwas kalorienreduziert sein, also etwa zwischen 1500 und 1800 Kcal täglich.

Dabei sollte der Anteil an Gemüse und Obst hoch sein und der Anteil von Kohlenhydraten, Proteinen und Fetten ausgewogen. Bei Kohlenhydraten isst man nur wenig Süssigkeiten, bei den Fetten bevorzugt man pflanzliche Öle. Ansonsten orientiert man sich an seinen persönlichen Bedürfnissen.

Wichtig für das Abnehmen ist vor allem die regelmässige Bewegung.

Drei mal wöchentlich dreissig Minuten Sport bis zum Schwitzen ist das Minimum, um den Stoffwechsel in Gang zu bringen. Fünf mal wöchentlich eine bis anderthalb Stunden wirken effektiver.

Durch die Bewegung wird einerseits direkt Nahrungs-Energie verbraucht und andererseits werden Muskeln aufgebaut, die auch im Ruhezustand mehr Energie verbrennen als Körperfett.

Siehe auch: