Der Hungerstoffwechsel

Eva Marbach
Projekt
  

Hungerstoffwechsel - Körper im Sparmodus

Beim Abnehmen wird meistens darauf gehofft, in möglichst kurzer Zeit möglichst viel abzunehmen.

Dass es dadurch Probleme mit dem Jojo-Effekt geben kann, haben viele Abnehmwillige schon gehört.

Doch der Hungerstoffwechsel, der bei schnellem Abnehmen einsetzt, ist weitgehend unbekannt.

Dabei sollte jeder Abnehmwillige über den Hungerstoffwechsel genauestens Bescheid wissen, denn dieser Mechanismus des Körpers ist es, der dafür sorgt, dass man nach erfolgreichem, schnellen Abnehmen wieder so stark zunimmt.

Was ist der Hungerstoffwechsel?

Der Hungerstoffwechsel ist ein faszinierendes Notprogramm des Körpers, um in schlechten Zeiten möglichst lange durchzuhalten.
Mit diesem Notprogramm gelang es den Menschen über Jahrmillionen hinweg, auch schlimme Hungersnöte zu überstehen ohne auszusterben.

Doch die Zeiten haben sich geändert, zumindest für die Industrieländer.

Hierzulande gibt es seit Jahrzehnten eher zu viel Essen als Hungersnöte und ein Ende der Essensfülle ist kaum abzusehen.
Die Zeitdauer des Nahrungsüberflusses ist jedoch noch viel zu kurz gewesen, als dass sich der menschliche Körper darauf eingestellt hätte, mit dauerhaft üppigem Essen klar zu kommen.
Stattdessen wirken immer noch die Mechanismen der Hungerzeiten.

Voraussetzungen für den Hungerstoffwechsel

Der Hungerstoffwechsel beginnt, wenn die negative Energiebilanz mehr als 500 kcal beträgt.
Bei einer bewegungsarmen Lebensweise ist dies bei Frauen bei unter 1.000 kcal der Fall und bei Männern bei unter 1.200 kcal.
Bei einer aktiven Lebensweise und vor allem bei ausgiebiger sportlicher Aktivität kann die Grenze, unter der der Hungerstoffwechsel aktiv wird, jedoch erheblich höher liegen.
Je nach Bewegungsintensität kann die Grenze bei 1.500 kcal oder gar bei 1.900 kcal liegen.

Fast jede Diät, die Nahrungsmengen vorgibt, liegt deutlich unter diesen Grenzen. Crash-Diäten liegen sogar oft unter 1.000 kcal.

Manche sehr kalorienreduzierte Diäten versprechen, durch einen hohen Eiweißanteil und Sport den Muskelabbau und die Stoffwechselreduktion zu verhindern. Doch das funktioniert leider nicht, egal wie nachdrücklich es versprochen wird.

Am stärksten wirkt sich der Hungerstoffwechsel natürlich aus, wenn man gar nichts isst, also beim Fasten oder bei einer Nulldiät.

Der Hungerstoffwechsel setzt ein, sobald man sich mindestens drei Tage lang mit einer negativen Energiebilanz von mindestens 500 kcal ernährt.

Berechnung der negativen Energiebilanz

Meistens weiß man nicht genau, wie große die Differenz zwischen Nahrungsaufnahme und Energieverbauch ist.
Die Berechnung des Energiegehalts der Nahrung ist nämlich mühsam und die genaue Berechnung des Energieverbrauches meistens kaum möglich.

Man kann die negative Energiebilanz auch durch das abgenommene Körpergewicht abschätzen.
Um ein Kilogramm Körperfett abzunehmen, muss man 7.000 kcal einsparen. Bei 500 kcal negativer Energiebilanz täglich, nimmt man pro Woche daher 500 Gramm ab.

Das berechnet sich wie folgt:
7 Tage x 500 kcal = 3.500 kcal -> 500 Gramm Gewichtsabnahme.

Man sollte also maximal 500 Gramm pro Woche abnehmen. Wenn man mehr abnimmt, dann befindet sich der Körper vermutlich im Hungerstoffwechsel.

Was passiert beim Hungerstoffwechsel?

Um die fehlende Nahrungsenergie auszugleichen, werden nicht etwa nur die Fettpolster abgebaut, sondern in erster Linie die Muskelmasse.
Das dient dazu, den Energieverbrauch zu senken. Muskeln verbrauchen nämlich sogar in Ruhe eine Menge Energie. Diese Energie wird in erster Linie eingespart. Außerdem wird durch die geschrumpften Muskeln verhindert, dass die Betroffenen unnötig aktiv sind. Die
verbleibenden Muskeln reichen zwar noch über einen langen Zeitraum für den Alltag, aber nicht mehr für vermeintlich überflüssige Aktivitäten.

Es hilft übrigens weder gegen den Muskelabbau, wenn man anteilig viel Eiweiß zu sich nimmt, noch wenn man viel Sport treibt. Trotz Eiweiß und Sport wird beim Hungerstoffwechsel zunächst vor allem Muskelmasse abgebaut.
Außerdem wird beim Hungerstoffwechsel der gesamte Stoffwechsel heruntergefahren. Überall wo es möglich ist, wird Energie eingespart. Die Organe des Körpers werden nur noch mit dem Nötigsten versorgt. Die Körpertemperatur wird etwas abgesenkt.
Dadurch wird der Grundumsatz deutlich gesenkt. Man verbraucht auch bei körperlicher Ruhe weniger Kalorien als zuvor. Der Grundumsatz kann sich bis auf die Hälfte des Normalwertes verringern, beispielsweise bei einer länger dauernden Nulldiät.
Zwar wird während des Hungerstoffwechsels auch Fett abgebaut, aber wesentlich weniger als dem Abnehmwilligen lieb wäre. Nach und nach geht der Fettabbau auch immer langsamer, weil der Grundumsatz immer geringer wird.

Gesundheitsschäden durch Hungerstoffwechsel

Außer den ungünstigen Auswirkungen auf das Abnehmen verursacht der Hungerstoffwechsel auch diverse gesundheitliche Probleme.
Das Ausmaß dieser Probleme hängen vom Einzelnen ab und von der Intensität und Dauer des Hungerns.

Folgende Gesundheitsprobleme sind typisch als Folge des Hungerstoffwechsels:

  • Müdigkeit
  • Schwäche
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Gicht
  • Gallensteine und Gallenkoliken
  • Herzschäden durch Herzmuskelschwund
  • Osteoporose
  • Trockene Haut
  • Stumpfe Haare
  • Haarausfall
  • Entzündete Schleimhäute
  • Menstruationsbeschwerden
  • Vitaminmangel-Folgen
Im Extremfall kann man sogar an den Folgen des Hungerstoffwechsels sterben. Das geschieht beispielsweise bei Magersüchtigen oder Hungerstreikenden.

Euphorie durch Hungerstoffwechsel

Eigentlich könnte man meinen, dass eine Situation, die zum Hungerstoffwechsel führt, die Stimmung verdirbt.

Wenn man an Berichte über Hungersnöte in früheren Zeiten denkt, dann trifft das auch durchaus zu. Der erzwungene Hunger scheint eine extrem schreckliche Erfahrung zu sein.
Auch viele Menschen, die strenge Diäten durchführen, leiden sehr unter dem Hunger und fühlen sich sehr unzufrieden.

Bei anderen Menschen bewirkt der Hungerstoffwechsel eine Art Euphorie. Die Euphorie wird durch eine ausgeprägte Ausschüttung von Endorphinen (Glückshormone) hervorgerufen.
Der Hunger wird kaum gespürt und die Betroffenen fühlen sich leicht und glücklich.

Das ist eine sehr nützliche Funktion des Körpers, denn sie hilft dabei, Notzeiten leichter zu überstehen. In üppigen Zeiten ist die Euphorie beim Hungerstoffwechsel eher gefährlich.
Diese euphorische Erfahrung kann so intensiv sein, dass man diesen Zustand immer wieder erleben will. Das kann zu Magersucht führen oder zu immer wieder neuen Diäten.
Die euphorische Stimmung während einer strengen Diät wird häufig so interpretiert, dass man glaubt, endlich die wahre Ernährungsweise gefunden haben. Sie wird als Beweis gewertet, dass die Diät gut für Körper und Seele ist.
Manche strenge Diäten kalkulieren diese Erfahrung mit ein. Sie setzen darauf, dass sich die Diäthaltenden euphorisch fühlen. Das gilt dann als Beweis für den hohen Wert dieser strengen Diät.
Doch eigentlich ist die Euphorie bei einer Diät ein Phänomen, das Skepsis hervorrufen sollte.

Wenn man sich bei einer Diät euphorisch fühlt und außerdem schnell abnimmt, dann sollte man sich fragen, ob die Diät zu streng ist. Gegebenenfalls sollte man etwas mehr essen, auch wenn die trügerische Euphorie dann nachlässt.

Nach der Hungerphase

Der Hungerstoffwechsel wirkt sich außerdem stark auf die Zeit nach dem Hungern aus.

Die Muskeln sind nämlich erst einmal geschrumpft und der Grundumsatz abgesenkt.
Der abgesenkte Grundumsatz bleibt auch über einen längeren Zeitraum in erniedrigter Form bestehen.

Der weiterhin gesenkte Grundumsatz dient dazu, dass man bei wieder einsetzender normaler Nahrungszufuhr die Möglichkeit hat, reichlich neue Fettreserven aufzubauen.
Der Körper kennt sich nämlich mittlerweile aus und weiß, dass jederzeit eine neue Hungersnot beginnen kann. Bei Frauen, die immer wieder Diäten machen, trifft das sogar zu. Der Körper lernt also, die Hungersnöte (Diäten) immer besser zu bewältigen und legt sich zu diesem Zweck immer üppigere Fettreserven an.
Damit das möglichst optimal funktioniert, wird auch der Grundumsatz zwischen den Diäten von Mal zu Mal weiter abgesenkt. Das Abnehmen fällt im Laufe der Jahre immer schwerer.

Aus der Sicht einer abnehmwilligen Menschen ist das natürlich eine Katastrophe. Je extremer sie verzichten, um abzunehmen, desto schwerer und aussichtsloser wird das Abnehmen. Im Laufe der Jahre werden sie sogar immer dicker.

Erneute strenge Diäten oder auch eine dauerhafte stark kalorienreduzierte Ernährungsumstellung verschlimmern das Problem nur, anstatt eine Besserung zu bringen.
Die betroffenen Menschen haben nur dann eine Chance für eine dauerhaft verbesserte Figur, wenn sie den Teufelskreislauf des Hungerstoffwechsels überwinden.

Reaktivierung des Stoffwechsels

Wenn sich der Körper erst einmal im Hungerstoffwechsel befindet, dann ist es nicht so einfach, den normalen Stoffwechsel wieder zu aktivieren.
Man muss genau wissen, was man tut, sonst setzt sich der Teufelskreis des Hungerstoffwechsels fort oder man nimmt erheblich zu.
Im Prinzip geht es darum, dem Körper klar zu machen, dass keine Hungersnot herrscht und dass er daher den Stoffwechsel reaktivieren darf.
Theoretisch könnte man das erreichen, indem man einfach mehr isst. Doch dann wäre eine deutliche Gewichtszunahme die logische Folge.

Daher braucht man einen Trick.

Man isst ein bis drei Mal pro Woche deutlich mehr als sonst, vor allem mehr Proteine und Kohlenhydrate. Die Fettmenge sollte relativ gering gehalten werden.
Zwischen diesen üppigen Tagen sollten immer wenigstens ein bis zwei Tage mit der üblichen Ernährungsweise liegen.

Die üppigen Tage sorgen dafür, dass der Körper merkt, es herrscht keine Hungersnot mehr. Solche üppigen Tage werden auch als Refeed-Tage bezeichnet.

Durch die Tage dazwischen mit der spärlichen Ernährung verhindert man, dass der Körper zu viel Kalorien bekommt und drastisch zunimmt.

Die reichlichere Ernährung der üppigen Tage nutzt man am besten dazu, um vermehrt Sport zu treiben. Dazu eignen sich sowohl Ausdauersport als auch Kraftsport.
Der Kraftsport ist wichtig, um die Muskeln zum Wachsen zu bringen.
Die gewachsenen Muskeln helfen nämlich dabei, den Grundumsatz zu erhöhen, sodass Abnehmen dann wieder leichter fällt.
Damit die Muskeln gut wachsen können, sollte man ausreichend Proteine zu sich nehmen. Besonders gut wirken sie, wenn man nach dem Training die Eiweiße isst.
Je mehr Ausdauertraining man betreibt, desto mehr Kohlenhydrate darf man essen. Bei ausgiebigem Ausdauertraining verbraucht man nämlich viele Kohlenhydrate. Doch abends sollte man besser auf reichlich Kohlenhydrate verzichten, weil man sonst abendlichen Heißhunger bekommt und nachts schlechter abnehmen kann.

Durch das Wachstum der Muskeln steigt das Gewicht vermutlich etwas an. Muskeln wiegen nämlich relativ viel. Diese Gewichtszunahme ist jedoch sehr wünschenswert, weil die Muskeln fortan beim Abnehmen helfen.
Auch wenn das Gewicht durch die Muskelzunahme ansteigt, kann man dem Körper ansehen, dass er sich strafft.

Die Umstellung des Stoffwechsels kann Monate dauern, daher braucht man eine Menge Geduld.

Irgendwann beginnt man langsam abzunehmen, vorausgesetzt man treibt genug Sport, isst genug aber nicht zu viel. Man sollte es weder bei den üppigen Tagen mit der Schlemmerei, noch an den spärlichen Tagen mit der Kasteiung übertreiben.

Wenn das Abnehmen beginnt, dann kann man langsam auch damit beginnen, an den spärlichen Tagen mehr zu essen. Doch man sollte die Essmenge an den bisher spärlichen Tagen nur behutsam steigern, denn man will ja nicht wieder zunehmen.
Wie zuvor an den üppigen Tagen sollte man vor allem die Proteinmenge steigern, es sei denn, man ernährt sich schon sehr eiweißreich.
Je nach Intensität und Dauer des Ausdauersports kann man auch die Kohlenhydratmenge an den bisher spärlichen Tagen erhöhen.
Wenn man sich bislang sehr fettarm ernährt hat, dann kann man ganz allmählich auch die Fettmenge erhöhen.

Die Nahrungsmenge und die Sportintensität sollte so feinjustiert werden, dass man langsam und allmählich weiter abnimmt. Dazu sind wahrscheinlich immer wieder Anpassungen nötig.

Zwischen 100 und 500 Gramm wöchentliches Abnehmen sind sinnvoll.
Mehr als 500 Gramm pro Woche sollte man nicht abnehmen, denn sonst beginnt wieder der Hungerstoffwechsel.
Als Dauerernährung bleibt es sinnvoll, zwischen üppigen Tagen und spärlichen Tagen abzuwechseln.
Dadurch weiß der Körper, dass keine Hungersnot herrscht und bekommt außerdem nicht zu viel zu essen.